Fashion Circle: FeminIst x TERESa
Istanbuler Designer Fashion, Feminismus und Fairness. Davon sprechen Sibel und Lara, die Gründerinnen von FeminIst Fair Fashion, beim exklusiven Fashion Circle in der Boutique TERESa. Das Interview zwischen Anna Strießnig, der Geschäftsführerin der Boutique TERESa, und unseren Gründerinnen, haben wir hier zusammengefasst.
Anna Strießnig: Liebe Sibel, liebe Lara, wie schön dass ihr hier seid! Ihr seid ja Mutter und Tochter… wer ist wer? (Gelächter). Nein im Ernst, wie kam es dazu, dass ihr FeminIst gegründet habt?
Sibel: Ich bin in Istanbul geboren und wollte schon immer mit dieser kreativen, bunten Stadt zusammenarbeiten. Wenn es um Designermode geht, hört man immer von Milan und Paris, aber Istanbul ist eine gewaltige Modestadt. Leider hat sich auch in Istanbul – wie überall – Fast Fashion durchgesetzt. So sind die kleinen Boutiquen und kreativen Designer:innen immer mehr verschwunden. Mittlerweile gibt es ja in jeder Stadt auf der ganzen Welt immer nur die gleichen Geschäfte und die gleiche Kleidung. Ich bedauere das sehr, und so hatte ich die Idee, im Modebereich eine Brücke zwischen Istanbul und Europa zu bauen. Zum einen, um Frauen in Europa individuelle, besondere Mode zu bieten und zum anderen, um den Designer:innen in der Türkei die Hand zu reichen. Als ich das meiner Tochter Lara erzählt habe, meinte sie: „Das ist eine super Idee, wenn du das jetzt noch nachhaltig machst, dann bin ich dabei!“.
Anna Strießnig: Ihr kommt ja eigentlich beide aus anderen Bereichen: Lara aus dem Journalismus, du Sibel kommst aus der Kosmetik. Wie kommt es, dass ihr euch entschieden habt, Mode zu machen?
Sibel: Mode ist mehr als nur Kleidung, sie ist ein Spiegelbild unserer Weltgeschichte. Wenn man sich Mode anschaut, dann sieht man die Themen der Gesellschaft zu dieser Zeit. In den 40er Jahren, zur Zeit des zweiten Weltkriegs, war der Kleiderstil streng und geradlinig, inspiriert vom Militär und Krieg. Zur Flowerpower Zeit gab es weite Ärmel und Strickmuster. Mode zeigt uns auch, wie Geschlechterrollen zur damaligen Zeit definiert und gelebt wurden. Als Frauen 1960 begonnen haben, für ihre Rechte zu kämpfen, wurde auch die erste Hose für Frauen designed. Auch wir schreiben jetzt Geschichte. Wenn unsere Enkelkinder irgendwann zurückschauen, werden sie sehen: 2022 war die Welt mitten in der Klimakrise, und das waren die ersten Frauen, die ihre Kleidung nachhaltig umgestellt haben.
Anna Strießnig: Wie kommt es zu dem Namen FeminIst Fair Fashion?
Lara Heiss: Fashion hat mehr mit Feminismus zu tun, als man denkt. Feminismus bedeutet erstmal, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben – also Gleichberechtigung. In der Modeindustrie ist Gleichberechtigung noch lange nicht erreicht, wenn man sich ansieht, wie die Kleidung von Fast Fashion Marken produziert wird. Über 80% der Menschen, die unsere Kleidung nähen, sind Frauen. Diese Näherinnen in Bangladesh, Vietnam oder Kambodscha besitzen oftmals keinen Arbeitsvertrag, arbeiten zu Niedrigstlöhnen inklusive unzähliger Überstunden und sind zusätzlich noch physischer und verbaler Gewalt ausgesetzt. Von Kinderarbeit ganz zu schweigen. Die Frauen werden so niedrig bezahlt, dass sie trotzdem sie 14 Stunden jeden Tag arbeiten, von ihrem Vater oder ihrem Mann abhängig sind, weil ihr Gehalt nicht zum Überleben reicht. Wir wollen mit unserem Namen auf diese schrecklichen Arbeitsbedingungen aufmerksam machen und zeigen, dass man auch ganz anders arbeiten kann. Wir schützen unsere Arbeiterinnen und auch Kinder, indem wir Kinderarbeit vollständig verbieten und ihre Eltern fair bezahlen. Uns ist es wichtig, dass unsere Näher:innen in Würde und unabhängig leben können, denn nur so können wir die Kleidung auch in Würde tragen.
Anna Strießnig: Die Fairness ist also eine wichtige Komponente, was macht euch noch zu einem nachhaltigen Modelabel?
Lara Heiss: Unsere Stoffe. Unsere Bio-Baumwolle ist komplett pestizidfrei im Gegensatz zu konventioneller Baumwolle, und wir sind zu 100% plastikfrei. Man muss sich das bei Plastikfasern wie Polyester so vorstellen: Wir waschen diese Stoffe, und kleine Mikrofasern von Plastik gehen durch unsere Waschmaschine und das Abwasser ins Meer. Dieses Mikroplastik wird von Fischen und Meereslebewesen gefressen, weil sie das nicht von Plankton unterscheiden können. Im schlimmsten Fall fressen sie so viel, dass es ihren Magen verstopft und sie sterben. Im besten Fall werden diese Tiere gefangen und von uns gegessen, sodass das Plastik wieder in unseren Lebenszyklus landet. Beides sind keine besonders schönen Vorstellungen. Daher haben wir uns entschieden, vollkommen ohne Plastik zu arbeiten: also kein Polyester, kein recycletes Polyester, kein Nylon, kein Elastan.
Anna Strießnig: Wie schaut es eigentlich mit den Männern aus? Habt ihr auch was für’s schwache Geschlecht?
Lara Heiss: Haben wir! Aus 2 Gründen: 1. Finden wir, dass Kleidung kein Geschlecht hat: Wenn dir ein Kleidungsstück gefällt, dann zieh es an. Egal welches Geschlecht, egal welche Farbe, egal welcher Schnitt. Die Welt verändert sich dahingehend auch, wir hatten gerade erst zum ersten Mal einen Mann im Kleid auf dem Cover der Vogue. Und 2. ist es mit unserem Namen ganz wichtig, auch Männer anzusprechen, weil wir finden, dass auch Männer Feministen sein sollten.
Anna Strießnig: Vielen Dank Sibel und Lara. Ihr habt euch wirklich richtig viele Gedanken gemacht und das soll honoriert werden. Aber eines frage ich mich noch: Wie läuft es eigentlich wenn Mutter und Tochter zusammen arbeiten?
Sibel Yildiz: Schwierig. (Gelächter) Lara ist sehr stur und sie weiß immer alles besser, aber so war sie als Kind schon. Gerade wenn sie in Punkto Nachhaltigkeit sehr stur ist, dann schauen mir die Designer:innen bittend in die Augen und erwarten, dass ich ein Machtwort spreche, aber da hab ich selber keine Chance.
Spaß beiseite, wir sind ein sehr kräftiges tolles Team mit einer unglaublichen Vertrauensbasis. Wir weinen gemeinsam, wir ärgern uns gemeinsam und freuen uns gemeinsam. Das Bild zwischen Mutter und Tochter, die gemeinsam arbeiten, ist sehr neu. Ich hab da selber keine Vorbilder. Väter, die ihren Söhnen das Business überschreiben, ja sogar Schwiegerväter die mit ihren Schwiegersöhnen zusammenarbeiten, dieses Bild kennen wir. Das hier ist neu, für mich und für uns alle, glaube ich. Aber es zeigt uns nur, dass wir in einem neuen Zeitalter sind. Bislang gab es Väter und Söhne, jetzt kommen Mütter und Töchter.
Anna Strießnig: Herzlichen Dank euch beiden!